Aktuelle Ausgabe neu

Newsletter

Abonnieren

Allbright-Report: Frauenanteil in Vorständen stagniert

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Der Frauenanteil in den Vorständen der Dax-Unternehmen stagniert seit einem Jahr. Wie der aktuelle Bericht der Allbright-Stiftung zeigt, wurden im vergangenen Jahr sogar weitaus weniger Frauen neu in den Vorstand berufen als im Vorjahr.

Stand September 2025 sitzen 555 Männer und lediglich 136 Frauen in den Vorständen der 160 börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Damit liegt der Frauenanteil wie auch im Jahr zuvor bei 19,7 Prozent. Jedem Dax-Unternehmen schickt die Allbright-Stiftung einen Umschlag. Dieser ist entweder rot, gelb oder grün. 61 rote Umschläge gehen dieses Jahr an Unternehmen ohne eine Frau im Vorstand, 82 gelbe Umschläge an solche mit mindestens einem weiblich besetzten Vorstandsposten. Der kleinste Stapel mit nur 17 Umschlägen ist grün und wird an Unternehmen mit einem Anteil von 40 Prozent oder mehr weiblicher Vorstände verschickt.

Nur neun von 160 börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben drei oder mehr Frauen im Vorstand. Dies ist eine leichte Verbesserung zum Vorjahr, wo es nur sechs Unternehmen schafften. Doch generell zeugen die Zahlen von einem Stillstand. „Die höchsten Machtpositionen in den Unternehmen – Vorstandsvorsitz und Aufsichtsratsvorsitz – sind auch im Jahr 2025 fast ausschließlich mit Männern besetzt, die Entwicklung des Frauenanteils stagniert hier seit Jahren“, heißt es im Bericht.

Neue CHROs sind selten weiblich

Gerade bei Neuberufungen fällt die Wahl bei einem neuen Vorstandsmitglied in den meisten Fällen auf einen Mann. Der Wert des Frauenanteils der Vorstände, die innerhalb der letzten 12 Monate berufen wurden, liegt bei nur 20 Prozent. Im Vorjahr waren es noch 32 Prozent. Die Allbright-Stiftung rechnet vor, dass es in diesem Tempo noch sechzehn Jahre dauern würde, bis ein paritätischer Anteil von Frauen in deutschen Vorständen erreicht würde: „Wer vor 1974 geboren wurde, wird in seiner aktiven Berufslaufbahn ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Unternehmensführungen nicht mehr erleben.“

Die Verteilung fluktuiert zudem stark nach Vorstandsbereich. Unter den neuberufenen weiblichen Vorstandsmitgliedern seit 2024 kommen 40 Prozent CFOs, 20 Prozent CHROs – doch keine einzige CEO. Im Vergleich sind 29 Prozent der neuberufenen männlichen Vorstandsmitglieder CFOs, 4 Prozent CHROs und 9 Prozent CEOs.

Abgehängt im europäischen Vergleich

Dr. Wiebke Ankersen ist Geschäftsführerin der Allbright Stiftung. (Foto: AllBright Stiftung)

Dass es auch anders geht, zeigt der Blick ins Ausland. Beispiel Großbritannien. Hier haben rund 38 Prozent der Unternehmen einen Frauenanteil von mindestens 50 Prozent – in Deutschland sind es nur rund 18. In allen anderen Vergleichsländern steigt der Frauenanteil seit 2018 zudem stetig, anders als in Deutschland. Woran liegt das? Das haben wir Dr. Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der Albright-Stiftung, gefragt. Sie meint, dass in deutschen Unternehmen Tradition einen viel höheren Stellenwert als in anderen Ländern habe. „Es braucht eine grundsätzliche Veränderung im Mindset: Veränderung sollte nicht als Bedrohung, sondern erst einmal als Chance zur Verbesserung gesehen werden, wie in den skandinavischen und angelsächsischen Ländern.“

Im Netz gab es bereits zahlreiche Reaktionen auf die veröffentlichten Zahlen. „Ich vermag mir gar nicht vorzustellen, wie die Zahlen aussähen, würde es keine verbindliche Gesetzgebung geben“, äußert sich Janina Kugel, einst CHRO von Siemens, zu dem aktuellen Bericht auf Linkedin. Wolfgang Voss, Gründer der Beratung CVS GmbH antwortet darauf: „Viele ‚alte weiße Männer‘ in den Top-Etagen haben leider große Defizite in Sachen Fähigkeiten für Langfrist-Strategien.“ Tanja Wießgold, Gründerin der C-Level-Agentur Stella Circle, schreibt: „Es wird deutlich, dass Frauengleichstellung in Deutschland eine idealistisch geführte Diskussion ist, die in der Realität nicht ankommt.“ Und Prof. Dr. Anja Seng, Präsidentin der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR), kommentiert: „Jeder fünfte Vorstandsposten ist weiblich – und das nennen wir Fortschritt?“

Im Zweifel lieber einen Mann berufen

Liegt es an den multiplen Krisen der Gegenwart, dass nur so wenig Frauen in die Vorstände befördert werden? „In unsicheren Zeiten wird nicht für weitere Modernisierung gesorgt, sondern wieder stärker auf Männer nach altbekanntem Muster gesetzt“, heißt es im Vorwort des Berichts.

Dies scheint auf den ersten Blick der Theorie der „Glass Cliff“ zu widersprechen. Eine Studie von Michelle K. Ryan und Alexander Haslam, University of Exeter, hatte 2005 die 100 größten Unternehmen im britischen Financial Times Stock Exchange Index (FTSE 100) untersucht. Es stellte sich heraus: Unternehmen, die kürzlich Frauen in den Vorstand erhoben hatten, ging es durchschnittlich wirtschaftlich schlechter in der Zeit vor der Berufung. Somit waren die neuen weiblichen Führungskräfte eher zum Scheitern verurteilt – daher der Begriff des Sturzes von der „gläsernen Klippe“. Das Phänomen ist allerdings wissenschaftlich umstritten, Studien, wie eine aktuelle aus dem März 2025, die sich auf US-Unternehmen bezieht, kamen zu anderen Ergebnissen.

Dass Unternehmen das Berufen eines Mannes in den Vorstand eher mit einem Sicherheitsgefühl assoziieren, kann jedenfalls Christina Sontheim-Leven, Ex-CHRO, Karrierementorin und Co-Autorin des Buches „Machtgebiete“ bestätigen. Dort berichten Frauen aus ihrer Zeit in der obersten Führungsetage. „Auf eine vermeintlich gescheiterte Frau folgt dann oft ein Mann, und für die Unternehmen ist die Welt wieder in Ordnung.“

Info

Was können Arbeitgeber tun?

In jedem Fall sind Änderungen in Deutschlands Führungsetagen offensichtlich nötig. Doch wie können Unternehmen hier ansetzen? Wiebke Ankersen empfiehlt Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzenden einen „Deep Dive“ mit externen Expertinnen und Experten zum Thema Frauen in Führungspositionen, „sodass alle wissen, warum sie eine Veränderung für das Unternehmen wollen und dazu auch sprechfähig sind. Wenn es dieses Committment und diese Klarheit auf oberster Ebene nicht gibt, können auch HR-Maßnahmen auf den unteren Ebenen nur begrenzt wirksam werden.“

Und wie genau können Personalverantwortliche sich engagieren? Ankersen rät: „HR sollte alles in Bewegung setzen, um die Pipeline an weiblichen Führungskräften so zu füllen, dass intern ebenso viele Frauen wie Männer unterhalb der Vorstandsebene zur Verfügung stehen. Im Kern geht es darum, die Karrierewege von Frauen und Männern anzugleichen – insbesondere, wenn sie Eltern sind, denn da entwickeln sie sich besonders stark auseinander.“

Ankersen plädiert für flexiblere Modelle für Elternzeit, Teilzeit und das Pflegen von kranken Kindern. „HR kann da Anreize setzen und signalisieren, was vom Unternehmen gewünscht ist. Es macht einen Unterschied, ob Elternzeit bei Männern zähneknirschend akzeptiert oder ob aktiv dazu ermuntert wird, dass sie ihren Anteil an der Familienverantwortung übernehmen.“

Info

Angela Heider-Willms verantwortet die Berichterstattung zu den Themen Transformation, Change Management und Leadership. Zudem beschäftigt sie sich mit dem Thema Diversity.